nInterview mit Petra Möcker von Laura Ullrich - Projektarbeit "Organspende - die Chance auf ein "neues Leben"

 

Im Sommer 2018 hat Laura Ullrich ein Interview mit Petra Möcker durchgeführt. Es war ein Gespräch, welches für sie sehr interessant war. Die Geschichte und Erlebnisse die Frau Möcker in dieser Zeit durchgemacht hat, sind einzigartig und bewundernswert. Wie wertvoll so eine "zweite Lebenschance" sein kann wurde noch deutlicher als sie sagte: "So ein Geschenk bekomme ich nie wieder".

Frau Möcker litt an einer Leberzirrhose, die ihren kompletten Körper vergiftete. Sie kann sich noch genau daran erinnern wie man zu ihr sagte: "Wenn Sie heute keine neue Leber bekommen, erleben Sie den nächsten Tag nicht." 

Mich persönlich interessierte am meisten was es für ein Gefühl sein muss, das Organ eines toten Menschen in sich zu tragen. Petra sagte mir, dass sie in der ersten Zeit sehr viel darüber nachgedacht hat, aber sie dachte sich auch das derjenige sich was dabei gedacht haben muss, Organspender zu werden. Ihr ist bewusst geworden, dass ohne den Unfall des Organspenders sie wahrscheinlich nicht mehr hier sein würde. Auf die Frage, ob sie sich nach der Operation unwohl gefühlt hat, sagte Petra zu mir, dass es für sie schon ein komisches Gefühl war, aber sie weiß auch noch, wie sie auf dem Weg zur Operation die Frage einer Schwester hörte, wo so schnell denn ein Organ her kam? Petra bekam mit, dass es einen Motorradunfall gab und sie dachte an einen kräftigen jungen Mann, von dem sie nun die Leber in sich trägt. Sie ist sehr dankbar dafür, auch wenn es für die Familie und die Angehörigen des Verunglückten sehr schlimm gewesen sein muss, den Tod zu akzeptieren. Sie erzählte mir, dass Sie auch einen Dankesbrief geschrieben und den sie mit nach Hamburg genommen hat. Dort gibt es extra eine Zentrale, die die Briefe anonym weiterleiten. Da viele Betroffene das Bedürfnis haben, die Familie des Spenders kennen zu lernen. Ich fragte Petra, wie es ihr damit geht, sie würde die Familie ganz gerne kennenlernen. Sie hat ihnen geschrieben, das sie glücklich ist, sie ihre Familie hat, ihre Enkelkinder aufwachsen sieht und auch ihre Kinder erleben kann. Wenn sie die Familie des Spenders vor sich hätte, sie würde sie umarmen. Petra kann sich nicht vorstellen, das sie schon 13 Jahre unter der Erde wäre. Der erwähnte Satz der Hamburger Arztin kommt ihr sehr häufig ins Gedächtnis. Es ist so wichtig in schweren Zeiten die Familie hinter sich zu haben. Daraufhin habe ich gefragt, ob es für Petra´s Familie in der Zeit eine große seelische Belastung gewesen war. Die Antwort war: Meine Familie hat mitgelitten, auch wenn ich die ganzen Schmerzen ertragen musste. Ich habe verschiedene Dinge nicht vertragen und lag deshalb eine Woche nach Transplantation im Koma. Als ich wieder stabil war und auf der Normalstation lag, kamen immer wieder die mitfühlenden Fragen nach meinem Befinden. Ich bin kein Mensch, der jammert und habe immer mit "es geht" geantwortet.

Als ich Petra ansah, kam mir der Gedanke, wie stark ein Mensch sein muss, eine so schwere Operation über sich ergehen zu lassen. Das ist für mich im Moment unvorstellbar. Petra bestätigte mir, dass die Unterstützung durch ihre Familie sehr wichtig war. Auch wenn sie mir nicht immer glaubten, wenn ich gesagt habe es geht mir gut, haben sie alleine an meiner Stimme gemerkt, dass es nicht so ist. Sie sagte, klar war es nicht immer leicht von Thüringen nach Hamburg zu fahren und zu wissen, dass Zuhause Weihnachten und Neujahr gefeiert wird und ich hier in Hamburg liege, aber wir haben es geschafft. Wie hat sich das Leben nach der Transplantation verändert, fragte ich sie: Das kommt immer auf den Menschen an, jeder reagiert anders. Es ist eine Einstellungsfrage. Ich muss die Zeit der Medikamenteneinnahme genau einhalten. Das ist das A und O. Wenn man sie nicht nimmt.... Man sollte es lieber tun. So viel Glück werde ich nie wieder in meinem Leben haben. Anfangs hatte ich oft höllische Kopfschmerzen, aber nicht wie Migräne, ein reiner Cluster-Kopfschmerz, wie wenn jemand eine Schraubzwinge in den Kopf gesteckt bekommt und immer ein Stückchen zudreht. Dann muss man noch manchmal mit dem Hammer draufhauen. Man fand heraus, das die Medikamente meinen Blutdruck ziemlich stark erhöht haben, daher auch die wahnsinnigen Schmerzen. Ansonsten darf ich nicht mehr in der Pflege arbeiten. Das war für mich meine Berufung, kein Beruf, denn das kann nicht jeder. Ich habe dort gerne gearbeitet. Jetzt bin ich EU-Rentnerin. Mir fällt die Decke auf den Kopf, deswegen musste ich etwas tun. Ich bringe mich gesellschaftlich ein und habe eine Selbsthilfegruppe in Bad Salzungen gegründet. Ich fragte Petra, wie sich das Krankheitsbild den Charakter verändert hat, sie antwortete: Wenn man schwer krank ist, dann ändert sich auch der Charakter, man ist mit sich unzufrieden. Man muss für sich selbst kämpfen, man darf sich nicht hängen lassen. Ich habe mal zu unserem Chefarzt gesagt, wir wollen kein Mitleid. Wir wollen wie ein normaler Mensch behandelt werden. Also gehe ich tanzen, gehe zum Sport und dahin und dorthin. Sicher, wenn ich das hier sehe, das ist nicht schön. Aber ich muss damit leben, ich sage mir, ich lebe. Das beeinträchtigt mich zwar, aber ich lebe. 

Mich interessiert es noch, ob Petra sich auch vor der Transplantation mit dem Thema Organspende auseinandergesetzt hat. Sie meinte: Erst nachdem ich das Organ bekommen habe. Sicher, jeder weiß, was es heißt, einmal Organspender zu werden, aber man fühlt anders, man hat eine ganz andere Einstellung zu diesem Problem, man denkt ganz anders. Das ist eine Einstellungsfrage. Wenn mir das nicht passiert wäre, würde ich heute wahrscheinlich auch anders darüber denken. Deswegen ist es unsere Aufgabe, wir als Empfänger, andere Menschen nicht zu überzeugen, auch nicht zu überreden, sondern ihre Meinung zu ändern. Deswegen freue ich mich, dass es so ein paar junge Leute gibt, die sich damit befassen. Meine letzte Frage an Petra war, was die Interessen des Organempfängers sind. Petra sagte zu mir: Denjenigen, der auf ein Organ wartet, Mut machen. Ich selbst war noch nie in dieser Lage, ich kann mich in so einen Menschen nicht hineinversetzen. Ich konnte ja gar nicht darüber nachdenken, ich habe mein Organ quasi von jetzt auf gleich bekommen. Das ist wieder eine ganz andere Sachlage. Ansonsten ist meine Familie froh und glücklich, dass sie mich wieder hat.

Frau Möcker ist eine echte Powerfrau, die anderen Menschen, die in der gleichen Situation sind wie sie einmal war, Mut und Kraft schenkt. Sie strahlt viel Lebensfreude und positive Energie aus, sie hat ihr Schicksal angenommen und ist glücklich. Das wäre sicher auch im Interesse des jungen Mannes gewesen, der am 10.12.2005 tödlich verunglückt war.